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[Luxembourg 2005 Presidency of the Council of the European Union]
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Interview
Jean-Claude Juncker discusses the reform of the Stability and Growth Pact, the Financial Perspectives and the Lisbon Strategy

Interviewee : Jean-Claude Juncker

Interviewer : Christian Wernicke, Süddeutsche Zeitung

Date of Interview : 01-01-2005

Policy area : General Affairs and External Relations


In an interview given to the Süddeutsche Zeitung, Prime Minister Jean-Claude Juncker discusses the reform of the Stability and Growth Pact, the Financial Perspectives and the Lisbon Strategy.

The Prime Minister also touched on the diverging national needs among the 25 EU Member States.


Den Wagemut von früher gibt es nicht mehr

Süddeutsche Zeitung: Ihre 24 EU-Kollegen trauen Ihnen mindestens zwei Wunder zu: Sie sollen den Euro-Stabilitätspakt reformieren - und bis Juni der EU einen milliardenschweren Kompromiss bescheren, der Brüssel bis 2013 das nötige Geld sichert. Wie gehen Sie um mit der Erwartung?

Jean-Claude Juncker: Ich nehme das einfach nicht zur Kenntnis. Wunder gibt es nicht in Europa, aber gut überlegte Maßarbeit hat auch ihren Zauber. Uns Luxemburgern hilft die lange EU-Erfahrung, in Brüssel weiß man: Wenn wir im Vorsitz sind, dann geben wir dem europäischen Zug wirklich Vorfahrt vor dem nationalen. Unsere Innenpolitik tritt dann zurück. Ich brauche viel Zeit für direkte Gespräche - das wird jetzt, nach der Erweiterung auf 25 Staaten, aufwandiger denn je. Wir kennen uns noch nicht so gut. Dieser Job geht bis an die Belastungsgrenze.

Süddeutsche Zeitung: Auch die Kollegen aus den alten EU-Staaten machen es Ihnen nicht einfach. Die Maxime von Helmut Kohl, im Zweifel für Europa zu handeln, gilt längst nicht mehr.

Jean-Claude Juncker: Nach wie vor schaffen wir es, den europäischen Zug auf dem Gleis voran zu bringen. Die Erweiterung um zehn Staaten ist gelungen, erstmals haben wir für Europa eine Verfassung entworfen. Es ist also nicht so, dass wir seit dem Abgang der "Dinosaurier" keine Evolution mehr beobachten würden. Nur, die Bereitschaft meiner Kollegen, im Zweifelsfall die europäische Karte zu spielen, selbst wenn man zittrig die nationale Karte in den Händen hält - die ist gesunken.

Süddeutsche Zeitung: Das gilt auch für die Chefs der sechs EG-Gründerstaaten?

Jean-Claude Juncker: Es gibt nicht mehr diesen halsbrecherischen europäischen Wagemut von früher. Alle Artisten sind vorsichtiger geworden.

Süddeutsche Zeitung: Weil das Seil höher hängt - oder weil den Artisten der Mut fehlt zu mehr Europa?

Jean-Claude Juncker: Das Seil hängt nicht höher, aber die Artisten haben mehr Angst vor dem Absturz.

Süddeutsche Zeitung: Das gilt wohl auch für den Akrobaten aus Berlin. Bundeskanzler Gerhard Schröder trat ja an mit dem Diktum, in Brüssel werde zu viel deutsches Geld verbraten.

Jean-Claude Juncker: Ich glaube nicht, dass Gerhard Schröder das heute noch so wie 1998 formulieren würde. Ich sehe bei ihm eine Entwicklung, im Denken und Handeln: Der Kanzler gehört längst zu den treibenden Kräften im Europäischen Rat.

Süddeutsche Zeitung: Sie werden seine Hilfe brauchen, wollen Sie der EU bis Juni einen Finanzrahmenfür die Jahre 2007 bis 2013 bescheren. Die Zeit drängt – zumal niemand den Briten, die nach Ihnen den EU-Vorsitz übemehmen, dieses Kunststück zutraut.

Jean-Claude Juncker: Bis Juni diesen Streit um Europas Finanzierung zu lösen, das ist eigentlich nicht zu schaffen. Aber wir müssen. Und wenn jeder Regierungschef sich in kompromissbereiter Grundhaltung an den Tisch setzt, ist das möglich. Nicht, weil wir Luxemburger magische Fingerfertigkeiten hätten - sondern weil wir alle bis dahin wissen müssen, wie viele Milliarden Euro der EU bis 2013 zur Verfügung stehen. Nur dann schaffen wir es, bis Ende 2005 die nötigen Details zu regem. Eine Einigung im Juni ist die einzige kalendarische Chance. Sonst droht uns allen, dass 2007 viele EU-Programme schlicht ausfallen.

Süddeutsche Zeitung: Keine Strukturfonds für Osteuropa, nirgendwo Forschungssubventionen - das wäre den Nettozahlern der EU doch gerade recht und billig.

Jean-Claude Juncker: Mag sein, dass einige so denken. Aber dann wäre Europa in vielen Bereichen seiner Außen- wie Innenpolitik ab l. Januar 2007 nicht mehr handlungsfähig. Und uns drohte ein Haushaltsverfahren, bei dem das EU-Parlament weitaus höhere Ausgaben durchsetzen könnte. Wer denkt, ohne eine finanzielle Vorausschau wäre die EU-Finanzplanung billiger, erliegt einem teuren Irrglauben.

Süddeutsche Zeitung: Was ist Ihr Motto bei Europas Milliarden-Streit?

Jean-Claude Juncker: Mein Rat an die EU-Regierungen lautet: "Seid euch konsequent!" Wer beschließt, Europa zu erweitern oder eine EU-Innenpolitik samt gemeinsamer Grenzkontrolle aufzubauen, der muss auch dafür zahlen wollen.

Süddeutsche Zeitung: Vielleicht können Sie ja gleich zwei Wunder auf einmal vollbringen: Sie ringen dem Nettozahler Schröder mehr Geld für die EU ab- und dafür versprechen Sie ihm, bei der Reform des Euro-Stabilitätspaktes, dass die Berliner Nettolast an Brüssel künftig vom deutschen Defizit abgezogen wird. So bliebe er leichter unter der magischen Drei-Prozent-Grenze.

Jean-Claude Juncker: So simpel, wie das bei Ihnen klingt, ist die Sache für viele nicht. Ein solches Spiel wäre mit den Deutschen wohl kaum zu machen. Aber in der Tat, ich sehe Verbindungsstränge zwischen Stabilitätspakt und der Finanzplanung. Nur bin ich allergisch gegen Vorschläge, einfach ganze Haushaltsblöcke bei der Berechnung des Staatsdefizits herauszurechnen. Die einen wollen die Verteidigungsausgaben, die anderen die Forschungsinvestitionen ausnehmen. Und so weiter - am Ende bliebe bei der Defizitüberprüfung kaum mehr als der Verwaltungsetat übrig. So geht's nun nicht.

Süddeutsche Zeitung: Wie sonst? Etwa so, dass Sie zwar erst alle Ausgaben addieren und feststellen, dass die Messlatte von Maastricht zwar gerissen wurde - dann aber lauter Gründe suchen, warum dies nicht so schlimm ist?

Jean-Claude Juncker: Wir müssen bei der Beurteilung eines Haushaltsdefizits künftig flexibler als bisher prüfen, aufgrund welcher Politik die Drei-Prozent-Schwelle überschritten wurde. Nur darf dies nicht zu völliger Beliebigkeit führen. Nach sechs Jahren ist es Zeit, Lehren aus der Praxis zu ziehen. Was wir brauchen, ist ein Pakt, der in den fetten Jahren stärker greift - und in mageren Zeiten den Regierungen mehr Spielraum gibt. Und ein mögliches Element bei dieser Überprüfung wäre es dann, den EU-Nettobeitrag eines Landes in Rechnung zu stellen. Das wäre aber kein pauschaler Maastricht-Rabatt.

Süddeutsche Zeitung: Während Ihres nun beginnenden EU-Vorsitzes wartet noch eine dritte Herausforderung: Sie sollen die so genannte "Lissabon-Strategie" wiederbeleben, wonach Europa bis zum Jahr 2010 zum weltweit stärksten Wirtschaftsraum avancieren will. Welchen Zauber werden Sie da aufbieten?

Jean-Claude Juncker: Wir müssen überprüfen, was wir erreicht haben - und wo wir warum hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben sind. Für mich steht fest: Bis 2010 sollten wir weit mehr Gewicht legen auf Wachstum und Beschäftigung. Zurzeit verfolgen wir 150 verschiedene politische Aktionen, das ist zu viel. Da müssen wir eine Flurbereinigung versuchen und vermeiden, ständig noch mehr Weihnachtskugeln an den Lissabonner Tannenbaum zu hängen. Wir brauchen klare Prioritäten, und eine neue Methode: Die Hauptlast zur Umsetzung der Strategie muss bei den nationalen Regierungen liegen. Europa kann Ziele formulieren, aber die Arbeit erfolgt zu Hause.

Süddeutsche Zeitung: Das hört sich an, als könne bald jedes Land machen, was es will.

Jean-Claude Juncker: Nein, das nicht. Ich schlage vor, dass jedes Land alle drei Jahre ein nationales Aktionsprogramm zu Lissabon in der EU vorlegt. Anschließend müssen die nationalen Parlamente kontrollieren, dass dies umgesetzt wird. Der Bundestag, auch die Sozialpartner in Deutschland zum Beispiel, sollen sich Lissabon aneignen, die Bundesregierung muss ihnen gegenüber Farbe bekennen. Wir können nicht zentral aus Brüssel jedem Land das selbe Rezept verschreiben. Wenn sich alle dem edlen Streben verschreiben, ihre dringlichsten Hausaufgaben zu erledigen, wird Europa eine bislang unbekannte Reformdichte erleben. Auf diese Weise schaffen wir bis zum Jahr 2010 alle Instrumente, um dann zum wettbewerbsfähigsten Teil der Welt zu werden.

Süddeutsche Zeitung: Erst dann? Ist das Ihr Zaubertrick - Sie geben das Ziel zwar nicht auf, fangen aber erst 2010 so richtig an?

Jean-Claude Juncker: Das Ziel wird nicht aufgegeben, aber jetzt müssen wir uns anstrengen, damit wir spätestens im Jahr 2010 so aufgestellt sind, dass wir dieses Ziel dann erreichen.


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This page was last modified on : 04-01-2005

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